2000 Jahre Papiergeschichte - eine Zeit, in der sich das Material Papier ständig verändert und weiterentwickelt hat, sich zu anderen Werkstoffen transformierte, um nicht nur der herkömmlichen Funktion als Informationsträger gerecht zu werden. Und obwohl Papier an sich kein neues Material darstellt, ist es als Baumaterial, keineswegs als konventionell zu bezeichnen. Denkt man an Papierarchitektur, denkt man in erster Linie an Tapeten oder Dämmmaterial. Doch Papier muss sich nicht als Wärmedämmung zwischen Wänden verstecken, um in der Architektur Anwendung zu finden.<br />Papier überzeugt auf Grund seiner Optik, Haptik und der leichten Verarbeit-barkeit vor allem als Material für zahlreiche Design- und Kunstobjekte, wie Skulpturen, Sessel, Tische und andere Gebrauchsgegenstände. Dies liegt daran, dass Papier durch Eigenschaften wie Flexibilität, Transluzenz und Leichtigkeit, ideale Voraussetzungen dafür mit sich bringt. In der Architektur wiederum, mag genau dies der Grund dafür sein, dass dem Papier als Baummaterial kaum Beachtung geschenkt wird. Doch verarbeitet zu Papier-derivaten kann der Werkstoff mehr als man vermuten würde. Durch unter-schiedliche Herstellungs- und Verarbeitungsmethoden wird Papier stabiler, reißfester, wasserabweisend und feuerbeständig, und das trotz geringem Eigengewicht - demnach ein idealer Leichtbaukandidat. Kein einzelnes Material bringt nur Vorteile mit sich, so wie Stahl, ohne entsprechende Brandschutzverkleidung rasch versagen würde, oder Beton durch Bewehrungseisen seine geringe Zugfestigkeit kompensiert, so ist es auch bei Papier notwendig, mit anderen Materialien kombiniert zu werden, um das volle Potenzial ausschöpfen zu können. Durch die Kombination mit anderen Materialien, entstehen Papierverbundmaterialien, die negative Eigenschaften des Papiers ausgleichen und positive Eigenschaften jeder einzelnen Materialkomponente in sich vereinen. Papier bringt dadurch ideale Voraussetzungen mit sich, um nicht nur in Design und Kunst, sondern auch in der Architektur Anwendung zu finden. Papier als tragendes Element gewinnt in der Architektur zunehmend an Be-deutung, was nicht zuletzt auf die zahlreichen Projekte Shigeru Ban's zu-rückzuführen ist. Sein Markenzeichen, tragende Säulen aus Pappröhren zu fertigen, hat Spuren bei anderen Architekten hinterlassen, wie beispielsweise bei Cottrell & Vermeulen oder P. Gumuchdjian und S.<br />Spence, die ebenfalls tragende Elemente ihrer Architektur aus Pappröhren formten. Hingegen zeigen andere Projekte, dass das Potenzial von Papier nicht allein in der Pappröhre liegt. Papier veranschaulicht, dass durch die Verarbeitung zu äußerst robusten, sehr leichten Wabenkarton-Paneelen, die Leistungsfähigkeit als tragendes Element noch lange nicht ausgeschöpft ist. Ein Projekt von Dratz & Dratz zeigt wiederum, dass gewöhnliche Tageszeitungen völlig ausreichen, um eine beachtliche Architektur von 16 m Länge, 12 m Breite und 10 m Höhe zu erschaffen.<br />Warum sich Papier als Baummaterial noch nicht durchgesetzt hat, liegt wahrscheinlich an mangelnden Materialkennwerten, auf die sowohl Architekten in der Planung, als auch Baufirmen in der Ausführung zurückgreifen könnten. Baut man mit Papier, müssen vorab zahlreiche Materialtests durchgeführt werden, um ein sicheres, standfestes und robustes Gebäude gewährleisten zu können. Jedes konventionelle Material, ob Stahl, Beton, Glas oder Holz, wird bereits mit Hilfe von Normen und Standards definiert, die als verlässliche Grundlage dienen. Damit sich auch Papier als "konventionelles" Material durchsetzen kann, ist es wichtig, durch intensive Forschung und zahlreiche Materialversuche, ebensolche Standards zu definieren. Papier überzeugt durch Wandelbarkeit, durch vielseitige Einsatzmöglichkei-ten und durch die Tatsache, dass es ein Werkstoff aus erneuerbaren Res-sourcen ist, der biologisch abbaubar, recycelbar und nahezu CO2-neutral ist. Papier ist ein Werkstoff mit hervorragenden Schall- und Wärmedämmeigenschaften, sowie guten mechanischen Festigkeitswerten. Ein Material, das auf Grund des geringen Eigengewichts nicht nur Rohstoffe eingespart, sondern auch Transport- und Montageaufwand reduziert, sowie Heiz- und Kühlaufwand von Gebäuden minimiert, was sich in weiterer Folge positiv auf den CO2-Haushalt auswirkt. Auf Grund des immer rasanter fortschreitenden Klimawandels, stehen The-matiken, wie Materialeffizienz, Ressourceneinsparung und minimierter CO2-Ausstoß, mehr denn je an der Tagesordnung. Diese Tatsachen könnten den Durchbruch für Papier als Baustoff in der Architektur bedeuten. Auch die weitere Optimierung der Papiereigenschaften mit Hilfe von Nano-technologie könnten dem Papier zukünftig neue Anwendungsbereiche eröffnen. Durch den Zusatz von nanofibrillierter Cellulose wird Papier wesentlich reißfester und robuster, als konventionelles Papier. Auch die Opazität kann gesteuert werden, wodurch Papier aus 100 % Cellulose, eine Transparenz von über 70 % erzielen kann. So reißfest wie Gusseisen und so transparent wie Glas, wäre es durchaus vorstellbar, dass nicht recycelbare, umweltschädliche Kunststofffolien und -Membranen bald der Vergangenheit angehören und der nachwachsenden und biologisch abbaubaren Variante aus Papier Platz machen.<br />Verarbeitet, wie herkömmliches Papier, zu Papierderivaten wie Karton, wür-de sich das Einsatzpotenzial entsprechend erweitern. Die Festigkeitswerte, gegenüber herkömmlichem Karton, könnten proportional steigen, dadurch könnte "Nanokarton" entweder höhere Lasten, bei gleichbleibender Materialstärke aufnehmen, oder bei gleichbleibender Lasteinwirkung, die Bauteilstärke minimieren. Ob Nanopapier, das Papier der Zukunft wird? Diese Frage kann abschlie-ßend nicht geklärt werden. Dass Papier aber enormes Zukunftspotential mit sich bringt, steht jedoch jetzt schon außer Frage.<br />Abschließend sei jedoch noch anzumerken: ob herkömmliches Papier oder Nanopapier - ein verant-wortungsbewusster Umgang, ein effizienter und ressourcenschonender Einsatz, sollten auch bei Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen das A und O sein.<br />