Bohrn, M. (2015). Der Wohnungsmarkt in Wien seit der Finanzkrise 2008 : eine Untersuchung auf die mögliche Entstehung einer Immobilienpreisblase als Folge einer Überbewertung von Immobilien [Master Thesis, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://doi.org/10.34726/hss.2015.28890
Blasen treten im Allgemeinen sowohl an Rohstoffterminbörsen sowie auch am Finanzmarkt auf. Grundsätzlich stellt eine Blase einen in sich selbst verstärkenden Trend dar, der aufgrund von übertriebener Nachfrage entsteht. Diese übersteigt dabei den eigentlichen Realwert, weshalb von einer Blasenbildung gesprochen wird. Wann diese vorliegt ist vor allem von der Bewertung verschiedener Marktindikatoren abhängig. Deren Gewichtung und Betrachtung führt zu teilweise fundamental unterschiedlichen Definitionen und Ergebnissen. Einerseits sind diese durch historische Interpretation über Verlauf und Ursache verschiedener vergangener Preisblasen wie beispielsweise jene der "New-Economy-Krise" oder der "Sub-Prime-Krise" in den USA erklärbar und als volkswirtschaftliche, rechtliche oder auch investitionsbedingte Ursache einzuordnen. Andrerseits können die verschiedenen Definitionsversuche bekannter Ökonomen wie beispielweise von Robert James Shiller oder Joseph Eugene Stiglitz mangels einer einheitlichen Definition in verschiedene ökonomische Herangehensweisen kategorisiert werden. Die "Charttechnische Sichtweise" interpretiert die Existenz einer Immobilienpreisblase dabei vorwiegend aus dem Kursverlaufsmuster von Immobilienpreisen, wobei aktuell kein auf steigende Übertreibungen oder einen Boom hinweisendes exponentielles Wachstum erkennbar ist. Die "verhaltensbasierte Sichtweise" orientiert sich hingegen an der Stimmung und dem Verhalten sogenannter "unvollkommener" Akteure am Immobilienmarkt. Auch hier sind derzeit keine Anhaltspunkte für einen irrationalen Überschwang oder ein massenpsychologisches Phänomen im Sinne der "Greater Fool"-, "Sure Thing"- oder "Buy now pay later" Mentalität auf dem österreichischen Immobilienmarkt erkennbar. Wird allerdings der Marktpreis bzw. dessen blasenindizierende Abweichung anhand der durch fundamentale Faktoren gerechtfertigten Preisen (= "Fundamentalwerte") untersucht, handelt es sich um eine "fundamentale Sichtweise". Diese hat sich mittlerweile in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung als ökonomisch fundiertes Konzept etabliert und bildet die heute wohl am häufigsten verwendete Methode. An ihr orientiert sich auch der im europäischen Vergleich repräsentative österreichische 84 Fundamentalpreisindikator der ÖNB. Dieser spiegelt die wesentlichen Kennzahlen der Wiener-Wohnungsmarktentwicklung wider und zeigt aktuell einen Rückgang der Überbewertung von 23 % im zweiten auf 20 % im dritten Quartal an. Bei Betrachtung der Immobilienpreise dürfen natürlich die Wohnwertmerkmale wie Lage, Ausstattung und Größe der Wohnung nicht außer Acht gelassen werden. Diese erklären auch teilweise stark steigende Preise in räumlich begrenzten Gebieten wie dem ersten Wiener Gemeindebezirk. Zuletzt darf die mit der Leitzinsentwicklung des Euros zusammenhängende "Leistbarkeit" von Wohnungseigentum als wichtiger Nachfragefaktor nicht vergessen werden. Von ihr hängt auch die Kreditvergabepraxis der Banken und in weiterer Folge auch die Kredittilgungsrate ab. Unter Einbeziehung all dieser Faktoren ist In der Gesamtbetrachtung derzeit eine leichte Überbewertung von Immobilien - insbesondere mit hohen Wohnwertmerkmalen - anzunehmen, wobei keine Anhaltspunkte für das Platzen einer allenfalls vorhandenen Blase erkennbar sind.